Drehmoment Bundeshaus: Trotz Kritik erstaunlich krisensicher

In wenigen Wochen geht die 51. Legislaturperiode zu Ende. Im Dezember wird das neue Bundesparlament vereidigt. Haben sich meine Erwartungen in der ablaufenden Amtsperiode im Bereich Energie- und Umweltpolitik erfüllt oder lief tatsächlich alles so schief wie immer wieder behauptet wird?

Wer wirklich etwas bewegen will, braucht für seine Idee 51% der Stimmen. Es sind die Schaffer im Parlamentsbetrieb, die Mehrheiten schmieden können. Im aktuellen Ranking des renommierten Instituts BCW gehöre ich in der zu Ende gehenden Legislatur zu den drei einflussreichsten Bundesparlamentariern aus dem Aargau. Es lohnt sich, an mehrheitsfähigen Lösungen mitzuarbeiten. Das bedeutet Knochenarbeit und segelt unter dem Radar der Medien. Umso mehr hat es mich gefreut, dass der Bundesrat zwei meiner Motionen angenommen hat mit dem Ziel den Untergrund für Produktion und Speicherung von Energie besser zu nutzen. Auch die parlamentarische Initiative zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft konnte ich als Kommissionpräsident über die Fraktionsgrenzen hinweg mitgestalten. Kreislaufwirtschaft bedeutet, den gesamten Lebenszyklus eines Produktes zu betrachten: Von der Rohstoffgewinnung, über das Design, die Produktion und den Vertrieb bis zu einer möglichst langen Nutzungsphase und dem Recycling. Zuviel Wertstoffe gehen noch in die Kehrichtverbrennung. Diese Vorlage ist ein Beitrag zur Versorgungssicherheit und zur Verbesserung der Ökobilanz.

Umwelt und Energie beeinflussen die Wirtschaftspolitik und den Standort Schweiz. Daher war es wichtig, dass wir als Bundesparlament den Mantelerlass auf den letzten Drücker ins Trockene brachten. Wegen der labilen Lage im Gassektor spielen die Energiemärkte immer noch verrückt. Anderseits haben wir mit dem Klimaabkommen von Paris eine Herausforderung zu bewältigen, die einen Einfluss auf die Versorgungssicherheit hat. Der Bundesrat muss die Energiestrategie 2050 mit den aktuellen Erkenntnissen abgleichen und wo notwendig revidieren. Er soll dabei bei der Stromversorgung auch die erwartete Nachfrage, das Ausbau- und Effizienzpotenzial, den sicheren Weiterbetrieb der Kernkraftwerke und die Klimaziele berücksichtigen. Zudem bin ich der Meinung, dass dringend ein Stromabkommen mit der EU abgeschlossen werden muss.

Es stellt sich die Frage, was wir alles unter einer Grundversorgung verstehen. Die Netze wurden von den Steuerzahlern finanziert und sollen auch in deren Besitz bleiben. Die Energielieferung hingegen muss vollständig liberalisiert werden. In der Stromversorgung sind das Netz und die Energie klar zu trennen. Jeder Konsument kann frei entscheiden, ob er in der Grundversorgung bleiben will oder seinen Strom auf dem freien Markt beschafft. Natürlich mit dem Wissen, dass ihm der Staat bei Preisschwankungen nicht zu Hilfe eilt. Es braucht den Mut, alte Denkmuster in Frage zu stellen. Dabei muss aufgezeigt werden, dass Schutz und Nutzen kein Widerspruch sind.

Wer behauptet, dass in den letzten vier Jahre nicht intensiv gearbeitet wurde, vergisst, dass wir neben der Covidkrise einen Angriffskrieg in Europa erleben, die Strombranche mittels Rettungsschirm geschützt wurde, die Versorgungssicherheit gefährdet war, eine Grossbank zusammenbrach und der Klimawandel sichtbar voranschreitet. Mehrmals griff der Bundesrat zu Notrecht und rief die scharfen Kritiker auf den Plan. Es sind die Schaffer im Hintergrund, die uns zusammen mit dem Bundesrat durch die Krisen führen.   

Matthias Samuel Jauslin
Matthias Samuel Jauslin

ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.