Gute Projekte brauchen Zeit

Unter dem Titel «Solarexpress» wollen der Bundesrat und das Bundesparlament dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter vorantreiben.

Vorgesehen sind Erleichterungen bei den Bewilligungsvoraussetzungen für alpine Photovoltaik-Grossanlagen sowie deren Förderung mit einer speziellen, einzelfallweise bestimmten Einmalvergütung von bis zu 60 Prozent der Investitionskosten. Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist zeitlich befristet und gilt nur so lange, bis mit den erstellten Grossanlagen schweizweit eine jährliche Gesamtproduktion von total 2 TWh erzielt werden kann. Die erleichterten Bewilligungsvoraussetzungen gelten auch für die damit zusammenhängenden Anschlussleitungen sowie die notwendigen Anlageteile und Installationen. Der Name «Solarexpress» kommt daher, weil die Bestimmung lediglich für Gesuche anwendbar ist, die bis zum 31. Dezember 2025 öffentlich aufgelegt werden und bis dahin mindestens teilweise Elektrizität ins Stromnetz einspeisen.

Erste Erfahrungen zeigen, dass der enge Zeitplan für die Gesuchseinreichung durchaus machbar ist. Die Forderung, einen Teil der Energie bis Ende 2025 einzuspeisen, kann in der Praxis nicht einfach umgesetzt werden. Alle Grossanlagen, die von einem vereinfachten Bewilligungsverfahren profitieren möchten, haben für die Planung, die Ausschreibung und den Bau nur noch rund 22 Monate Zeit. 

In der Realität braucht die Ausführung von Bauarbeiten mehr Zeit. Die ersten, unter diese Regelung fallende Gesuche für alpine PV-Anlagen wurden bereits vor dem Dezember 2023 eingereicht. Darunter befinden sich Anlagen wie zum Beispiel MorgetenSolar, SolSarine, ScuolSolar oder SedrunSolar. Entsprechende Baubewilligungen liegen aber frühestens Mitte 2024 vor. Zudem werden im alpinen Bereich im Winter die Baustellen stillgelegt. Bestenfalls können Sommer und Herbst 2024 und 2025 für Bauarbeiten, Installationen und Inbetriebnahmen genutzt werden. Zudem wird Rücksicht auf Vögel und Wildtiere verlangt. Solche Verzögerungen können von den Projektanten nicht direkt beeinflusst werden. Da die Bauarbeiten auf enge Zeitfenster beschränkt sind, wird auch das benötigte Logistikmaterial nicht einfach frei verfügbar sein. Zudem bestehen für gewisse Anlagenkomponenten lange Lieferfristen.

Für die Netzanschlussleitung braucht es rechtlich eine Plangenehmigungsverfügung des ESTI. Dieses Bewilligungsverfahren auf Stufe Bund läuft unabhängig und nicht koordiniert mit dem kantonalen Baubewilligungsverfahren für die PV-Anlage. Für den Netzanschluss muss beim Verteilnetzbetreiber zudem ein Netzanschlussgesuch gestellt werden. Ich befürchte, dass die Plangenehmigungsverfahren zum Flaschenhals werden.

Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass alpine PV-Grossanlagen ein wichtiger Bestandteil der Winterstromproduktion sein können und der «Solarexpress» Schwung in die Realisierung bringt. Doch gute Projekte brauchen genügend Zeitreserven in der Ausführungsplanung und in der Bauphase.

Investoren zählen auf Rechtssicherheit und nicht auf Versprechen. Das Bundesparlament hat die Problematik erkannt. In welcher Form man diese nun begleiten will und in der Praxis umsetzt, muss noch aufgezeigt werden. Mit tollen Hochglanzprospekten und hübschen Internetseiten ist es nicht getan.

Zur Person: 

Matthias Samuel Jauslin ist seit 2015 Mitglied des Nationalrats, Mitglied der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) sowie Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär eines Unternehmens, das im Bereich Elektroanlagen, Telematik und Automation tätig ist.