Coronakrise verschärft politisches Problem der zu hohen Umwandlungssätze

Die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen wurden – nach einer sehr hohen durchschnittlichen Netto-Vermögensrendite von +10.4% im Jahr 2019 (gegenüber -2.8% im Vorjahr) – hart von der Coronakrise getroffen. Die starken Marktkorrekturen ab Mitte Februar 2020 reduzierten die ausgewiesenen Deckungsgrade per Ende April 2020 im Durchschnitt auf 105.6% (gegenüber 111.6% Ende 2019). Die Notwendigkeit, die gesetzlich festgelegten technischen Parameter den ökonomischen und demographischen veränderten Realitäten anzupassen, ist durch die Coronakrise somit noch dringlicher geworden. Die Spida Personalvorsorgestiftung schneidet indes besser ab als der Durchschnitt der Schweizer Pensionskassen.

Die Vorsorgeeinrichtungen haben in den vergangenen Jahren in den Anlagekategorien Aktien, Immobilien und Obligationen durch Höherbewertungen überdurchschnittliche Renditen erzielt. Die Deckungsgradsituation per Ende 2019 war trotz tiefen Marktzinsen durchwegs gut. Die bei den meisten Vorsorgeeinrichtungen stark positiven Renditen erhöhten die individuell ausgewiesenen Deckungsgrade der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung im Durchschnitt von 106.4% Ende Vorjahr auf neu 111.6% und bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie von 77.7% Ende Vorjahr auf neu 79.8%. Per Ende April 2020 betragen die entsprechenden geschätzten Deckungsgrade 105.6% (Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung) respektive 75.5% (öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie).

Da aus heutiger Sicht für das Jahr 2020 bei allen wichtigen Anlagekategorien mit Einbussen gerechnet werden muss, ist per Ende 2020 von einem deutlichen Anstieg der Unterdeckungen auszugehen. Diese müssen über die Zeit behoben werden. Sofern es gelingt, die negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zu begrenzen, werden die meisten Vorsorgeeinrichtungen aufgrund der guten Deckungssituation vor der Krise mittelfristig in der Lage sein, die negativen Auswirkungen der Krise auf ihre finanzielle Stabilität zu tragen oder die negativen Folgen zumindest zu mildern.

Spida

Vor diesem Hintergrund erzielte die Spida Personalvorsorgestiftung eine Nettorendite von -7,2% im ersten Quartal 2020, schneidet indes besser als der Durchschnitt der Schweizer Pensionskassen ab (-7,8% gemäss Swisscanto-PK-Monitor). Dank der sehr erfreulichen Performance von +10,8% im Jahr 2019, der robusten finanziellen Lage der Stiftung und der breit diversifizierten Vermögensanlagen beläuft sich der Deckungsgrad per Ende März 2020 auf rund 105,5%; per Ende 2019 betrug er 114,8% (Wert vor Revision).

Steigende Umverteilung

Die zu hohen Umwandlungssätze sind das dominante Risiko in der zweiten Säule. Obwohl diese im Überobligatorium laufend gesenkt wurden, sind sie aufgrund des immer weiter gesunkenen Zinsniveaus im Durchschnitt nach wie vor zu hoch. Dies führt zu Finanzierungsrisiken und zu Umverteilung. Folge ist zudem, dass die Wertschwankungsreserven nicht vollständig geäufnet werden konnten und aktuell nur 65% des Zielwertes erreichen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass in den letzten Jahren erhebliche Summen für die Nachfinanzierung der laufenden Renten eingesetzt wurden. 

Aktuelle Schätzungen für das Berichtsjahr 2019 zeigen, dass sich die Umverteilung von 5.1 Milliarden Franken im Jahr 2018 auf aktuell 7.2 Milliarden Franken im Jahr 2019 deutlich erhöht hat. Da das Zinsniveau nochmals gesunken ist, mussten die technischen Zinssätze im Berichtsjahr stärker als in den Vorjahren weiter gesenkt werden. Dass entsprechend mehr Kapital für die Nachfinanzierung der laufenden Renten aufgewendet werden musste, war der Hauptgrund für den Anstieg der Umverteilung. Zusätzlich haben sich dadurch auch die Pensionierungsverluste vergrössert. Das Ausmass der Umverteilung zu Lasten der aktiven Versicherten liegt mit 0.8% des Vorsorgekapitals der aktiven Versicherten und der Rentner wieder auf einem ähnlichen Niveau wie im Jahr 2017 und ist nach wie vor substanziell.

Ausblick

Ein Kapitaldeckungsverfahren, wie es die zweite Säule kennt, muss mit phasenweise hohen Volatilitäten der Finanzmärkte umgehen können. Vorsorgeeinrichtungen verhalten sich deshalb mehrheitlich als langfristige Investoren. Sie tendieren nicht zu kurzfristigen Änderungen der Anlagestrategie oder zu «Notverkäufen», da dies in solchen Situationen meistens längerfristig schädlich ist. Nötigenfalls nehmen sie auch kurzfristige Unterdeckungen in Kauf. Dies ist vom Gesetz auch vorgesehen. Die Erfahrungen aus der letzten Finanzkrise im Jahre 2008 bestätigen das.

Gleichzeitig ist die Sanierungsfähigkeit vieler Vorsorgeeinrichtungen eingeschränkt. Das liegt daran, dass aufgrund der fortgeschrittenen Existenzdauer der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz, die Bedeutung der Renten-Vorsorgekapitalien hoch ist und gleichzeitig die absoluten Höhen der Renten garantiert sind. Rentnerinnen und Rentner können nicht zu potentiellen Sanierungen herangezogen werden.

Die Notwendigkeit, die gesetzlich festgelegten technischen Parameter, insbesondere den Mindestumwandlungssatz, rasch den ökonomisch und demographisch veränderten Realitäten anzupassen, ist durch die Coronakrise noch dringlicher geworden. Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert.